
Worum geht es bei dokumentarischen Familienfotoshootings?
Stellt euch vor, ihr schaut in zehn Jahren auf den Tag zurück, an dem ihr Familienfotos gemacht habt. Wie habt ihr euch gefühlt?
(Die Frage hat mein Mann letztens gestellt, als wir uns darüber unterhalten haben, dass wir uns dokumentarische Familienfotos von einem ganzen Tag von uns wünschen. Ein ganz normaler Alltag, so wie wir gerade viele Tage erleben, von morgens bis abends für uns und die Kinder dokumentiert. Und uns dabei über die dokumentarische Familienfotografie unterhalten haben und was eigentlich den Unterschied macht und ich finde es eine so gute Frage!)
- Wie habt ihr euch gefühlt an dem Tag?
- Wie habt ihr euch in der Situation gefühlt? Erinnert ihr euch an Situationen mit eurer Familie?
- An was erinnern euch die Bilder, wenn ihr sie anseht?
- An den lustigen Gang, den euer Kind hatte, weil es gerade erst Laufen gelernt hatte?
- Wie es sich euch in die Arme geworfen hat und den Kopf in eure Halsbeuge vergraben?
- An das Gefühl dieser kleinen Hand in eurer, bei euren ersten gemeinsamen Spaziergängen?
Was wollen wir auf Familienfotos sehen?
Ich war nicht oft beim Fotografen. Ich erinnere mich an ein Mal, ich hatte gerade mein Abitur gemacht und brauchte Bilder für meine Bewerbungen (damals noch für freie Kunst, als ich statt der Kamera noch die Pinsel in der Hand hatte). Ich erinnere mich an dieses zutiefst beschämende Gefühl, falsch zu sein. Falsch zu gucken, zu viel oder zu wenig zu lächeln, dieses Gefühl meinem Gesicht einen Ausdruck zu geben, der mir und meinem Gefühl von extremen Unwohlsein und von Scham keinen Ausdruck verleiht, sondern der irgendwie den Erwartungen des Fotografen gerecht wird. Mein ganzes Gesicht, mein ganzer Körper war verkrampft. Letztens ist mir beim Umzug das Bild in die Hände gefallen. Ich erkenne mich garnicht auf diesem Bild. Alles, was es mir erzählt, ist dieses Erlebnis im Fotostudio. Und wenn ich dieses Bild ansehe, dann sehe ich, wie unendlich falsch ich mich gefühlt habe in jeder Faser meines Körpers.
In der dokumentarischen Familienfotografie geht es darum, echte Erinnerungen festzuhalten
In der dokumentarischen Fotografie geht es darum, die Menschen so abzubilden, wie sie sind. Die Geschichte zu erzählen über die Menschen und ihre Beziehungen. Es entstehen auch Porträts während der Familiendokumentationen, aber situative Momentaufnahmen, die im Geschehen aufgenommen werden. Ich mag die Porträts, die während meiner Familiendokumentationen entstehen oft besonders gern, weil sie oft so viel über den Menschen erzählen. Sie entstehen zum Beispiel, während das Kind konzentriert einer Arbeit nachgeht oder verträumt aus dem Fenster sieht. Oft entstehen sogar „klassische“ Porträts, in denen das Kind in die Kamera schaut, aber sie entstehen eben nicht aufgefordert, sondern weil wir uns unterhalten und das Kind mich ansieht. Mit seiner ganz eigenen Neugier und seinem ganz eigenen Ausdruck des Interesses. Es entstehen Bilder, die euch und eure Kinder festhalten, wie ihr seid und die so echte Erinnerungen dokumentieren.
In der dokumentarischen Familienfotografie seid ihr genau so richtig, wie ihr seid
Und genau dieses Gefühl sollen die Familiendokumentationen vermitteln. Dass ihr genau richtig seid, so wie ihr seid! Ich platziere euch nicht und gebe keine Anweisungen sondern ich begleite euch als Mensch und nicht als Fotografin und versuche die Präsenz meiner Kamera so klein und unsichtbar wie möglich zu halten. Tatsächlich sind die Familiendokumentationen wie ein gemeinsamer Ausflug oder ein Besuch mit guten Gesprächen und schönen Begegnungen.
Deswegen sind die dokumentarischen Familienshootings länger, weil es Zeit braucht, sich aneinander zu gewöhnen und weil es Zeit braucht, dass die echten Momente passieren können. Die, an die ihr euch später erinnern möchtet. Die Momente, die euch in zehn und auch in dreißig Jahren noch die Tränen der Rührung in die Augen treiben, wenn ihr euch euer Fotoalbum anseht.
Im besten Fall seht ihr in zehn Jahren auf den Bildern eure Beziehung. Euch und euren Familienalltag. Und all das Gute dieser Tage.
Im besten Fall bekommt ihr ein warmes Gefühl im Bauch, weil die Bilder euch an unzählige kleine Momente und Dinge der Kindheitstage erinnern und an einen schönen Familientag der ähnlich war wie viele eurer Familientage. Im besten Fall erinnert ihr euch an einen wunderbaren Tag voller schöner Familienmomente und an eine nette Bekanntschaft mit guten Gesprächen. Einen Tag, an dem sich alles genau richtig angefühlt hat.
Ich habe hier, hier und hier schon etwas über meine dokumentarische Arbeitsweise aufgeschrieben.
Das Genre ist relativ jung und ist gerade in Deutschland leider noch sehr wenig verbreitet, was sicher auch daran liegt, dass es noch nicht viele kennen. Hier ist auch in der Familienfotografie immer noch die herkömmliche Studiofotografie am meisten verbreitet und bekannt (die auch durchaus ihre Berechtigung hat).
Ich bin aber aus unzähligen Gründen eine große Verfechterin der künstlerischen, dokumentarischen Familienfotografie und freue mich, dass sie so langsam auch in Deutschland ankommt. Habt ihr Fragen zur dokumentarischen Familienfotografie? Ich bin gespannt!
Comments