Darum brauchen wir Feminismus im Hochschulkontext
Ich bin es so müde. So so müde. Ich bin müde, in meiner Aufnahmeprüfung an der Uni als einzige gefragt zu werden, ob meine Familie mich nicht vermissen würde, wenn ich über die Entfernung aus Süddeutschland nach Potsdam den Master mache.
Was wäre die richtige Antwort darauf? Meine Familie ist mir nicht so wichtig? Nein, die vermissen mich nicht? Eine Erklärung wie ich die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Studium plane? Die Frage war in meiner Prüfungszeit, also eine relevante Prüfungsfrage. Und nur nebenbei: die anderen drei in der Aufnahmeprüfung waren aus Japan und Paris. Sie haben die Prüfungsrelevanten Fragen bekommen, weil sie Männer waren.
Ich bin es müde, von Professoren in der Vorlesung erklärt zu bekommen, dass wir Feminismus aus unseren Masterarbeiten streichen sollten. Das klinge so unsympathisch und mit so einer Arbeit würden wir später keine Jobs bekommen. Ich bin es müde, die ganze emotionale Mehrarbeit zu machen, weil ich mich in die Diskussion begebe und das so nicht stehen lassen möchte. Für mich und für die anderen (jüngeren) Studentinnen und dann für meine Töchter, die sich solche Sprüche in 20 Jahren nicht mehr anhören sollen. Das bedeutet für mich:
- Kurs aufgeben, weil es kein save space ist. (Ein save space ist ein Ort, der für marginalisierte und diskriminierte Personen frei von diskriminierenden und abwertenden Taten und Äußerungen ist).
- Gespräche mit anderen ProfessorInnen und dem Gleichstellungsbüro über das Thema führen, was zeitraubend und emotional aufreibend ist.
- Am Ende im Gespräch mit besagtem Professor auf persönlicher Ebene so angegangen werden, dass völlig klar wird, dass er nach all den Gesprächen nicht erkannt hat, dass es ein strukturelles Problem ist, sondern es für einen persönlichen Angriff hält auf den er sich persönlich wehrt.
Ich bin es so müde, dass nach all dieser Zeit, dem Mut, dem sich überwinden (weil es eben wichtig ist!), dass nach all dem am Ende nur ich einen Kurs weniger gemacht habe, der für meine Ziele wichtig war.
Denk nur all diese emotionale Arbeit wäre in mein Projekt geflossen.
Aber was ist die Alternative? Darüber hinweg sehen und hören? Es einfach so lassen und in Kauf nehmen, dass sich nichts ändert? Dass da Professoren stehen und Studentinnen in der Vorlesung erklären, dass Männer eben einfach besser in Gestaltung seien und Frauen eben besser in Kommunikation und dass es deswegen in der Geschichte keine bekannten Gestalterinnen gebe?
Ich frage mich, was der Unterschied wäre.Stell dir vor, da erklärt über 40-60 Jahre lang ein Professor seinen Studentinnen, Frauen wären eben nicht so gute Gestalterinnen (wohlgemerkt Studentinnen, die Gestaltung studieren) und hält sie davon ab, ihre Hochschulabschlüsse mit feministischen Themen zu machen.
Was wäre wohl der Einfluss in der Welt davon? Und wenn aber stattdessen 40-60 Jahre lang eine Professorin oder ein Professor die gleiche Vorlesung hielte aber darauf bedacht wäre, einen save space für alle StudentInnen zu schaffen, in dem alle gleichermaßen darin unterstützt würden, ihre Hochschulabschlüsse abzuschließen.
Was wäre der Einfluss davon in der Welt?
Und es ist ja so, dass ich nur sehr bedingt von Diskriminierung betroffen bin. Ich bin eine Frau. Aber ich bin von sehr vielen anderen Diskriminierungsformen nicht betroffen. Denk nur, wie ist es erst für mehrfach marginalisierte Menschen?
Das ist nur ein Bereich in meinem Leben, (die Uni an der ich gerade meinen Master mache) aber die Auswirkungen davon, dass wir in einem patriarchalen System leben, trifft mich in allen Lebensbereichen.
Darum brauchen wir Feminismus in allen Bereichen
- Die Auswirkungen des Patriarchats treffen mich, wenn mein Mann in den Himmel gelobt wird, wenn er neben seiner Erwerbsarbeit bäckt, die Kinder von der Schule holt und kocht, während genau das gleiche von mir als das absolute Minimum und als Selbstverständlich erwartet wird. Oder hast du als Mutter schon mal gehört: mensch, so toll, dass du immer deine Kinder von der Schule abholst.?
- Sie treffen mich, wenn mein Mann in der Kita die Dreckwäsche mitbekommt, mit den Worten: nehmen sie das bitte für ihre Frau mit, damit sie das waschen kann und sie treffen mich, wenn mir nach langer Arbeitswoche gesagt wird, die Kinder hätten mich schon sehr vermisst, das ist schon schlimm für die, wenn du nicht da bist, während meinem Mann nach langer Arbeitswoche gesagt wird du armer, komm ruh dich aus!
- Sie treffen mich, wenn die allermeisten Foto-Veröffentlichungen in Zeitungen und Magazinen von Männern sind. (Fotografinnen verdienen im Schnitt 31% weniger und fotografieren nur etwa 20% der deutschen Magazin-Cover und Titelstorys. Und sie treffen mich wenn in großen Verlagen das rein männliche Lektorat über mein Buch über das Wochenbett entscheidet und finden, dass keiner das sehen möchte. Und sie treffen mich, wenn mir bei Jobs ständig Männer, die nichts mit Fotografie machen, meine Kamera erklären wollen.
- Und die Auswirkungen vom Patriarchat treffen mich besonders heftig, wenn ich mit üblen Schmerzen über Monate von Notaufnahmen und diversen Ärzten nach Hause geschickt werde und erst nach 6 Monaten meine ernsthafte Erkrankung festgestellt wird.
Ich kann nur aus der Perspektive einer Frau und Mutter sprechen und aus dieser Perspektive muss ich sagen, dass ich es so so leid bin und es mich so müde macht, das Patriarchat. Am 8. März ist Internationaler Frauentag oder Frauenkampftag.
Ich wünsche mir Gleichberechtigung oder zumindest das Gefühl, dass wir viele sind, die sich dafür einsetzten. Workshops über Gleichberechtigung und die verschiedenen Diskriminierungsformen an der Hochschule für Lehrpersonal, ein öffentliches Statement zur Inklusion, mehr Stipendien und andere Unterstützungsformen für Menschen mit Mehrfachbelastungen.
Und mehr Sichtbarkeit! Sichtbarkeit von den Auswirkungen eines gesellschaftlichen Systems, das so ungerecht ist und uns so müde macht!
Ich bin mir sicher, du hast sie auch, diese Geschichten! Und ich würde sie gern sichtbar machen. Ich würde sie gern alle erzählen! Deswegen: würdest du deine Geschichte (oder mehrere Geschichten) erzählen, die zeigen, warum wir Feminismus brauchen?
Ich würde mich riesig freuen wenn du deine Geschichte teilst und sichtbar machst! Auf Instagram am 8. März mit dem #darumbrauchenwirfeminismus und tagge uns mit chiara_und_marcia_fotografie/ damit wir es teilen können. Oder du schreibst mir auf Instagram und ich teile es anonym, wie es dir lieber ist.
Und dann möchte ich mit all unseren Geschichten gern so viel Aufmerksamkeit wie möglich generieren und uns und das Problem sichtbar machen!
Darum brauchen wir Feminismus: Geschichten von Frauen
„Ich bin mit einem Soldaten verheiratet. Das ist eben so passiert, wo die Liebe hinfällt…
Es ist schwer mit jemandem das Leben zu teilen, der/die diesen Beruf ausübt. Von Anfang an wurde mir klar gemacht, dass ich mich nicht beschweren darf, nicht hadern darf, mit dem damit verbundenen Alltag. Nicht von ihm, aber von unserem Umfeld. Die Argumentation war immer: ‚Du hast ja gewusst worauf du dich einlässt.’Nun, worauf habe ich mich eingelassen?
Als wir nach 3 Jahren Beziehung unser erstes Kind erwarteten und klar war, dass mein Mann im gleichen Zeitraum zum zweiten Mal nach Afghanistan geschickt werden sollte, haben wir alles versucht, dass er den Einsatz wenigstens während der Schwangerschaft absolvieren und zur Geburt und danach bei mir sein kann. Leider war dieser Abschnitt unseres Lebens für seine Chefs oder Kollegen (damals alles Männer) nicht so relevant wie für uns.
So kam es, dass er uns zwei Wochen nach der schwierigen Geburt für 6 Monate allein lassen musste. -… Ein Teil meines Lebens, von dem ich dachte ich hätte ihn verarbeitet, der mir aber jetzt doch wieder Tränen in die Augen treibt. – Ich bin dabei leider kein Einzelfall. Es gehört stattdessen zur Regel, dass bei der Einsatzplanung die schwangeren Frauen vergessen werden. Kein Mensch interessiert sich dafür ob und wie sie Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett allein stemmen können. Aber auch für die Männer, die lieber dabei sein, diese besondere Zeit nicht verpassen und eine Stütze sein wollen, gibt es kaum Spielraum.
Aber ich darf nicht Jammern, ‚Ich wusste ja worauf ich mich ein lasse!‘ . Als die Frau an seiner Seite, wird von mir erwartet, dass ich ihm den Rücken frei halte, während er seine Pflicht erfüllt. Anders kann ich es nicht interpretieren, wenn wir darauf schauen, wie oft man an andere Standorte versetzt/in den Einsatz geschickt werden kann.
Ich hab mich irgendwann dagegen entschieden immer mit umzuziehen. Ich wollte Stabilität für unsere, mittlerweile, zwei Kinder. Ich wollte Familie um die Ecke, die mich unterstützen kann und mir so Zeit ‚freischaufeln‘ für meinen Traum und meine Ziele. Ja, ich habe mich für diesen Mann und dieses Leben entschieden, ja, ich habe für unsere Kinder entschieden, dass sie Wurzeln schlagen dürfen und wir nicht immer wieder umziehen. Die Konsequenzen sind eine Wochenendehe, ein Großteil aller Arbeiten am Haus und mit den Kindern auf meinen Schultern und kaum Zeit für mein Business oder meine kreativen Träume.
Der Witz an der Sache ist, dass wenn ich mir eine ‚Auszeit‘ nehme, sei es für einen Workshop, einen Job oder, Gott bewahre, um mal auf andere Gedanken zu kommen, wird mein Mann in den Himmel gelobt, weil er mir das ermöglicht. Während andere auf (Familien-) Feiern gefragt werden, wie der letzte Urlaub war, ist die wichtigste Frage an mich immer wie denn mein Business läuft und warum ich immer noch nicht mehrere Fotosessions pro Woche habe. Begleitet von einem mitleidigen Blick, der mir sagen soll ‚Schade, dass du es nicht besser auf die Reihe kriegst‘!
JA, SCHADE. „
Teile deine Geschichte auf Instagram mit dem #darumbrauchenwirfeminismus und tagge uns mit chiara_und_marcia_fotografie/ damit wir es teilen können. Oder du schreibst mir auf Instagram und ich teile es anonym! Lass uns Sichtbarkeit schaffen mit all den Geschichten!
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