Wie man eine Bildauswahl für Fotobücher trifft
Wir kennen es alle: eine unendliche Bilderflut an digitalen Fotos auf dem Computer und die wertvollen Erinnerungen verloren in den Massen. Wir möchten Kindheit konservieren und diesen so wertvollen Erinnerungen eine Form geben, durch die wir sie teilen können.
Falls wir uns noch nicht kennen, möchte ich mich kurz vorstellen:
Hallo,
ich bin Marcia Friese, dokumentarische Familienfotografin und Geburtsfotografin im Raum Basel und Freiburg. Du kannst mich aber auch in Berlin und Hamburg buchen! Mein Buch „Mutter werden“ über das Wochenbett findest du hier und überall, wo es Bücher gibt. Und wenn du deine Familiengeschichte im Raum Basel und Freiburg von mir dokumentieren lassen möchtest, findest du hier alle Informationen dazu.
Gerade keine Zeit? Du kannst dir diesen Beitrag auf Pinterest pinnen und später lesen.
Warum es beim Fotobuch gestalten so wichtig ist, eine Auswahl zu treffen und der Geschichte eine Form zu geben
Ich male mir immer aus, wie ich meinen Kindern beim Auszug den Stapel ihrer Fotobücher überreiche, damit sie ihre Kindheit und unser Familienleben durch meine Augen mit in ihr Erwachsenenleben nehmen können. Ich stelle mir vor, wie sie da sitzen, am Küchentisch in ihrer ersten Wohngemeinschaft, mit ihren Freunden philosophieren und ja, mich nicht mehr brauchen. Zumindest nicht im Alltag.
Es ist schwer vorstellbar, weil das Gebraucht-werden dieser Tage oft so groß ist. Ich habe Monate gebraucht, diesen Blogpost fertig zu machen, weil ich die kurze Arbeitszeit vormittags für meine Aufträge brauche und abends zwei Kinder so lange in den Schlaf begleite, bis ich selbst einschlafe oder zumindest so müde bin, dass ich keinen Satz mehr zustande bringe. Die Tage sind lang, so lang.
Mittlerweile kann ich öfter wieder meinen Kaffee heiß trinken und schlafe die Nächte durch und ab und an führe ich lange, ungestörte Gespräche, während die Kinder spielen. Wunderbare neue Errungenschaften.
Aber die meiste Zeit werde ich gebraucht. Meine Arme und mein Schoß und meine Aufmerksamkeit. Manchmal, wenn die Wäscheberge so unüberwindbar scheinen und in beiden Armen ein bedürftiges Kind liegt und meine Emails so dringlich beantwortet und meine Bilder schon längst bearbeitet sein wollten, scheint es für immer so zu sein. Das Gefühl zu nichts zu kommen und vom Bedürfnisse-Erfüllen völlig erschöpft zu sein.
Und dann fällt es mir wieder ein. Spätestens, wenn sie dann beide einschlafen, rechts und links auf meinen Armen und ich mich nicht rühren möchte, weil es wohl der friedlichste Ort auf der ganzen Welt ist, da, genau zwischen diesen zwei schlummernden Kindern. Dann fällt es mir wieder ein. Das ist ihre Kindheit. Unser Alltag ist ihre Kindheit. Sie wird verfliegen wie ein Wimpernschlag und die Erschöpfung und das Gefühl, nichts zu schaffen wird vergessen sein, wie auch der Schlafmangel der ersten Jahre schon jetzt vergessen ist.
Und dann sehe ich all das Gold dieser Tage und möchte es festhalten und dokumentieren. Ich möchte all das Kindheitsgold einfrieren und in Büchern sammeln, damit diese Sammlung dann in 15 Jahren in einem WG Zimmer stehen kann. Für die guten und vor allem für die schlechten Zeiten.
Was ich in 8 Jahren Studium und darüber hinaus über Fotobücher gelernt habe
Über die Jahre habe ich mittlerweile wirklich viele Fotobücher gemacht. Manche selbst gebunden und manche bestellt, manche privat für die Familie und manche veröffentlicht. Ich habe vieles probiert und für nicht gut befunden und einiges auch für sehr gut und dabei viel gelernt. Und das möchte ich hier gern an euch weiter geben, auf dass noch mehr Stapel Kindheitsgold an in die Welt ziehende Kinder überreicht werden können. Darüber, wie ein Buch seine Form findet, habe ich hier schon geschrieben.
Fünf Schritte aus einer großen Bilderflut eine Auswahl zu treffen um ein richtig gutes Fotobuch zu gestalten:
1. Finde das Thema für dein Fotobuch
Es lohnt sich unheimlich, sich über diesen ersten Schritt Gedanken zu machen und Klarheit zu verschaffen!
2. Was möchte ich mit meinem Fotobuch aussagen?
Was soll es können? Soll es anhand von Portraits zeigen, wie sich das Aussehen der Kinder über die Jahre verändert hat? Oder die Beziehungen der Kindheitstage erzählen? Soll es von deiner Mutter- oder Vaterschaft erzählen oder die Kinderkunst dokumentieren? Soll es eine reine Dokumentation sein oder mehr von deiner Sicht erzählen? Soll es lustig sein und aus Kindersicht? Soll es eine Liebeserklärung sein?
3. Für wen ist das Fotobuch gedacht?
Ist es z.B. für die ganze Familie, für uns selbst oder für ein Kind? Ich mache z.B. für die Großeltern auch Fotobücher über die Kinder als Geschenk, aber dort kommt eine andere Auswahl rein als in die Fotobücher, die ich für meine Kinder mache. Es macht einen großen Unterschied, wie privat ich mein Fotobuch „denke“. In den Büchern an meine Kinder sind auch Briefe und Gedichte von mir an sie. Diese Bücher sind persönlich und intim. Sie richten sich an eine einzige Person.
4. Und was soll das Fotobuch für denjenigen Bedeuten?
Ist es dir wichtig, die Menschen, die in der abgebildeten Zeit Bezugspersonen sind, zu dokumentieren? Gerade Bilder von Menschen, die im Erwachsenenleben der Kinder vielleicht nicht mehr da sind, aber in der Kindheit eine große Rolle gespielt haben, können später unendlich wertvoll sein. Bilder, die eure Beziehung zeigen, selbst wenn es von dir mit deinem Kind nur ein Kuschel-Selfie aus der Handykamera gibt, aber unzählige, wunderschöne Portraits deines Kindes mit der Spiegelreflex Kamera. Stelle dir die Frage, was das Bild bedeutet und was es in Zukunft bedeuten kann.
5. Welchen Zeitraum soll dein Fotobuch abbilden?
Soll es eine Reise dokumentieren? Oder ein Lebensjahr? Wenn ihr, wie ich, zum Geburtstag Fotobücher mit dem letzten Lebensjahr verschenkt, ist der Zeitraum ein Jahr, aber eben nicht von Januar bis Dezember sondern von Geburtstag zu Geburtstag. Ich mache aber z.B. auch Fotobücher für meine Schwester mit Bildern unserer gegenseitigen Besuche über mehrere Jahre.
Wenn ich das Thema meines Fotobuches klar definiert habe und all diese Fragen für mich beantwortet habe, erstelle ich einen Ordner auf meinem Laptop und benenne ihn mit Arbeitstitel und Datum. Ich habe meine Fotos so sortiert, dass ich für jedes Jahr einen Ordner habe und in jedem Jahresordner die Monatsordner und dort sind alle Kamerabilder bearbeitet und als Raw und auch Unterordner mit den Handybildern.
Dann gehe ich alle Ordner durch, die im Zeitraum für mein Fotobuch liegen und kopiere alle Bilder, die für mein Thema in Frage kommen in meinen Fotobuch-Ordner. Da können sich schon mal an die 1000 Bilder sammeln.
Extratipp:
Wenn du dich schon für einen bestimmten Anbieter und ein bestimmtes Format entschieden hast, hilft das auch weil du weisst, wie viele Seiten du machen kannst. Meine Fotobücher für meine Kinder und auch meine Kunden bestelle ich z.B. bei Rosemood. Die Bilder in diesem Beitrag sind alle von diesem Fotobuch von Rosemood. Ich mag gern nur ein Bild pro Seite und deswegen weiß ich, dass ich am Ende meiner Bildauswahl auf höchstens 122 Bilder bzw. ca 61 Bildpaare kommen möchte.
Wie man eine Bildauswahl für ein Fotobuch treffen kann aus einem riesigen Bildkonvolut
Für die Auswahl arbeite ich mit Photomechanic und Adobe Lightroom, es geht aber auch jedes andere Bildbearbeitungsprogramm, bei dem man Bilder bewerten kann. Den folgenden Tipp hat mir die Fotografin Grit Schwerdtfeger (die übrigens auch dokumentarische Familienfotografin in Leipzig ist) gegeben und er hat meinen Workflow extrem erleichtert!
Nicht GEGEN Bilder entscheiden sondern FÜR gute Bilder Sterne geben.
Es klingt so banal, aber ist ein Trick, der super funktioniert um aus einer großen Anzahl von Bildern, zu denen man eine emotionale Bindung hat, eine kleine, richtig gute Auswahl zu treffen.
Ich lade also alle Bilder aus meinem Ordner in Lightroom oder Photomechanic und gehe sie mit einem Finger auf der 1 durch. Der erste Durchlauf geht sehr zügig, 1 drücke ich bei allen richtig guten Bildern und viele bleiben ohne Bewertung. Dann kann ich mir nur die mit 1 Bewerteten anzeigen lassen und bin hier meist schon bei der Hälfte der Bilder angelangt. Alle anderen kann ich dann schon aus meinem Ordner löschen, in dem ich mir alle ohne Stern anzeigen lasse und über „Fotos entfernen“ vom Datenträger lösche.
Aus vielen ähnlichen Bildern das Aussagekräftigste finden
Meistens habe ich von ein und der selben Situation sehr viele ähnliche Bilder. Hier eine Auswahl zu treffen ist mir immer besonders schwer gefallen. Eben weil es so schwer fällt, sich gegen schöne Bilder zu entscheiden. Man kann sich bei Lightroom eine Auswahl Bilder nebeneinander anzeigen lassen und dann bewerten. Das mache ich mit solchen „Gruppen“ und kann dann im direkten Vergleich nebeneinander gut das „stärkste“ Bild erkennen und mit 2 Sternen bewerten. Auch hier ist es wichtig, das Überthema des Fotobuches im Kopf zu haben und die einzelnen Fragen zu bedenken. Welches der Bilder kann am besten die Geschichte erzählen? Welches transportiert die Emotionen? Welches ist von der Aufteilung und dem Licht das „beste Bild“?
Schon bei der Auswahl für das Fotobuch in Paaren denken
Da ich bei Fotobüchern maximal ein Bild pro Seite bevorzuge, denke ich schon bei der Auswahl in Paaren. Habe ich also solch eine Gruppe, suche ich nach zwei Bildern, die sich im Buch als Paar auf einer Doppelseite ergänzen und zu zweit die Geschichte am emotionalsten erzählen können. (Bedenke dein Layout, hast du mehrere Bilder auf einer Seite, kannst du bei der Auswahl gleich nach Gruppen suchen.) Oft sind das die unterschiedlichsten Bilder einer Serie, also z.B. eines von weit weg, dass die ganze Geschichte erzählt, und eines, das ein emotionales Detail aufgreift von ganz nah. Solche Paare funktionieren aber auch durch Farbigkeit und Bildaufteilung oder Lichtstimmung.
Wie man die Auswahl für die Doppelseiten im Fotobuch macht
Der zweite Durchlauf ist also mit dem kleinen Finger auf der 2 und ich schaue mir Bildgruppen nebeneinander an und vergebe 2 Sterne an die Bilder, die als Paar funktionieren und im Vergleich am meisten transportieren. Auch Einzelbildern, die mir besonders wichtig sind, gebe ich 2 Sterne.
Dann lasse ich mir wieder nur die Bilder, die mit zwei Sternen bewertet sind anzeigen und habe mich nun meist meiner Wunschanzahl angenähert. Wenn es zu Anfang also ca. 1000 Fotos waren, kann ich die Anzahl so im ersten Schnelldurchlauf schon auf ca. 500 Fotos mit einem Stern reduzieren und beim zweiten Durchlauf auf ca. 200 Bilder mit zwei Sternen.
Wenn ich ein Fotobuch mit ca. 100 Seiten plane, würde ich es jetzt schon bei den 200 Bildern belassen und diese als kleine 10er Abzüge zum Probeblättern bestellen. (Das mache ich bei Saal Digital, die haben ein super Preis-Leistungsverhältnis. Ganz wichtig: den Haken für die automatische Nachbearbeitung entfernen!)
Extratipp: am besten funktioniert es, wenn man nach jedem Durchlauf ein paar Tage verstreichen lässt, um Abstand von dem Bildern zu bekommen und sie das nächste mal wieder „neu sehen“ und bewerten zu können.
Warum erst Abzüge bestellen und nicht direkt ein Fotobuch?
Es mag vielleicht der ein oder anderen überflüssig erscheinen, die letzte Auswahl der Bilder nochmal als Abzüge zu bestellen und nicht gleich ein Fotobuch zu machen. Sicherlich kommt es auch auf den Umfang, die Art und den Zweck des Fotobuches an, ob es Sinn macht, diesen zusätzlichen Schritt zu nutzen.
Für größere und umfangreichere Projekte würde ich es IMMER empfehlen, die Fotos als Abzüge in der Hand zu halten. Ein Bild wirkt so anders auf Papier als auf dem Bildschirm.
Die Abzüge breite ich auf einem großen Tisch (oder dem Boden) aus und kann sie so, als Ganzes begreifen und man bekommt erst jetzt ein wirkliches Gefühl zu dem Thema und was diese Bilder als Ganzes zusammen mit dem Betrachter machen.
So sieht man auch sofort Bilder, die aus dem Rahmen fallen und nicht passen. Richtige Störer! Probiert es aus, ihr werdet es merken! So ausgedruckt spürt man viel deutlicher, was „rund“ ist und zusammen passt, welche Bilder zusammen spielen und eine Dynamik haben.
Ich würde hier auch unbedingt davon abraten chronologisch bleiben zu wollen, außer es macht für das Thema des Buches absolut Sinn. Ein Jahr Kindheit in Bildern zu erzählen muss nicht nach Datum sein.
Ich würde hier viel mehr nach Geschichten suchen, nach Gegensätzen und Paaren, nach Nah und Fern, wenig und viel. Es ist ein unheimlich kreativer, wunderbarer Prozess, der ein Fotobuch unglaublich bereichert!
Abstand gewinnen und „das große Ganze“ sehen
Schaut zusammen mit anderen auf dieses Bild als Ganzes. Seid offen dafür, was sie sehen. Fragt andere nach ihrer Auswahl und warum. Es gibt nichts, wodurch man mehr über Fotografie lernen kann als dadurch, mit anderen über Bilder zu sprechen. Warum ist welches Bild gut? Was ist ein „richtig gutes Bild“? Was bewegt dich und was nicht? Manche Bilder bedeuten dir persönlich die Welt und manche sprechen eine universelle Sprache und berühren alle. Und warum ist das so?
Ich bin ich erst mal sehr gespannt, wie meine Tipps zur Reduzierung der Bilderfluten für euch funktionieren! Wenn ihr noch mehr über das erstellen von Fotobüchern lernen wollt, könnt ihr auch hier weiter lesen.
Schreibt mir gern eure Fragen hier oder auf Instagram und auch über Anregungen und Fragen zu möglichen nächsten Themen freue ich mich sehr!
P.S. Und ihr wisst ja, sharing is caring 😉
Meine Informationen zu den Familienfotoshootings und den Preisen findet ihr hier.
Lena says
Danke von Herzen für all diese tollen Tipps! Wir planen ein Fotobuch für unsere Mutter (sind 3 Schwestern und unsere Mutter wird 64) und ich freu mich so über deinen Beitrag.